0

«Gerade in Zeiten der Krise sind freie, unabhängige Medien besonders gefordert»

Das BAKOM hat in enger Zusammenarbeit mit der Medienbranche einen nationalen Aktionsplan (NAP) zur Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz erarbeitet. Wieso es diesen in der demokratischen Schweiz braucht, haben wir Martina Fehr, MAZ-Direktorin, gefragt. 

Martina, welcher war Dein erster Gedanke als Du vom geplanten nationalen Aktionsplan gehört hast?
Das war im letzten Sommer. Meine spontane Reaktion war: Brauchen wir das wirklich, hier in der Schweiz?

Und Dein zweiter?
Dann sind mir die zahlreichen Gespräche eingefallen, die wir während der Pandemie am MAZ mit Studierenden geführt haben. Bei Anti-Corona-Demos wurden ihnen Kameras aus den Händen geschlagen; sie wurden wüst beschimpft und sogar teilweise bespuckt; sie mussten Hasstiraden in den sozialen Medien erdulden. Und nicht wenige haben damals ernsthaft überlegt: Muss ich mir das antun? Häng ich nicht besser den Job an den Nagel? Wieder einmal hat sich gezeigt: Gerade in Zeiten der Krise sind freie, unabhängige Medien besonders gefordert.

Wieso ist freier, unabhängiger Journalismus so wichtig?
Es ist Aufgabe des Journalismus, Desinformation zu verhindern, den Diskurs am Laufen zu halten und die unterschiedlichen Akteure mit ihren Aussagen und Absichten zu konfrontieren. Das erfordert Mut – denn Journalismus mit Biss bedeutet: Dahin gehen, wo es weh tut. Was er aber nicht bedeuten darf: Dass Journalistinnen und Journalisten attackiert und zur Zielscheibe werden. Veränderungen kommen oft schleichend – und das macht sie so gefährlich. Deshalb müssen wir frühzeitig Gegensteuer geben und als Branche zusammenstehen. Gerade auch dem Nachwuchs müssen wir zeigen: Ja, wir nehmen Euch ernst, wir sehen Eure Sorgen und was Euch umtreibt.

Apropos Nachwuchs: Auch um das Berufsbild stand es schon besser.
Richtig, nicht nur Drohungen und Gewalt setzen dem Journalismus zu, auch das Berufsbild insgesamt hat aus verschiedenen Gründen stark gelitten. Der nationale Aktionsplan setzt auch hier an: er leistet eine wichtige Aufklärungsarbeit, wie Journalismus funktioniert. Mit der Comic-Familie Websters werden beispielsweise Jugendliche dafür sensibilisiert, welchen Wert Medien für unsere Gesellschaft haben. Neben solchen neuen Massnahmen greift der Aktionsplan auch Bestehendes und Bewährtes auf – er bündelt es und bietet eine gute Übersicht. Gerade auch junge Journalistinnen und Journalisten arbeiten bei kleinen Verlagen – sie können bei einer Demo nicht auf Begleitschutz zählen. Dasselbe gilt – in verschärfter Form – für die freischaffenden Kolleginnen und Kollegen. Es darf nicht sein, dass man vor einer kritischen Berichterstattung zurückschreckt, weil man Angst vor Bedrohung hat – sei’s bei einer Demo oder in den sozialen Medien. Wir brauchen eine starke Medienfreiheit.

Der NAP umfasst neun Massnahmen in den Bereichen Sensibilisierung und Prävention, Schutz und Unterstützung bei Gewalt und Drohungen sowie rechtliche Rahmenbedingungen. In welcher Form ist das MAZ involviert?
Ich war als Branchenvertreterin bei der Erarbeitung dabei, unterstütze bei der Umsetzung der Massnahmen und bin Mitglied des Sounding Boards. Die Erstellung einer Branchen-Webseite – eine der Massnahmen, die der Aktionsplan vorsieht – werden das CFJM und das MAZ gemeinsam koordinieren. Es ist das Ziel, Hilfestellungen bei Drohungen und Gewalt zu geben, insbesondere im Umgang mit Hassreden im digitalen Raum. Es gibt zwar solche Angebote und Anlaufstellen bereits – aber keine koordinierte, abgestimmte und gemeinsame Plattform. Diese Aufgabe werden wir nebst anderen Massnahmen nun angehen. Es freut mich sehr, dass die beiden Journalismus-Schulen – das Centre de formation au jounalisme et aux médias in Lausanne und das MAZ in Luzern – ihren Beitrag dazu leisten.

Auch neue Technologien haben Einfluss auf den Journalismus – denken wir an ChatGPT.
Das höchste Gut der Medien ist die Glaubwürdigkeit. Mit all den neuen Herausforderungen rund um Künstliche Intelligenz und Chat GPT dürfen wir das Vertrauen der Menschen nicht verlieren – dies wird zu einer zentralen Aufgabe. Medien sind für das Funktionieren unserer Demokratie essentiell – aber ihre Arbeit muss die Menschen auch erreichen. Deshalb müssen wir immer wieder betonen: Medien sollen zwar frei arbeiten, aber sie tun dies selbstverständlich nicht ohne Regeln. Der Kodex für Journalistinnen und Journalisten hält nicht nur ihre Rechte, sondern auch ihre Pflichten fest. Der Presserat als unverzichtbare Institution garantiert also einen kritischen, zugleich aber fairen Journalismus. Der Aktionsplan nimmt dies auf, und er trägt somit dazu bei, dass die Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit verankert wird – was wiederum auch der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten dient. Damit schliesst sich der Kreis.

Links
Nationaler Aktionsplan für die Sicherheit von Medienschaffenden in der Schweiz
Websters in den Medien
Medienmitteilung BAKOM

TOP